WAS IST EIN TRAUMA ?

Bei einer gebrochenen Hand spricht ein Chirurg von einem Trauma. Bei einer Schussverletzung auch. Ein Schleudertrauma nach einem Autounfall ist schon dem Namen nach ein Trauma. Sich mit dem Ellenbogen an der Tischkante stoßen, dass es einem schwarz vor Augen wird, dagegen nicht.
So ähnlich ist es auch mit der Psyche. Schmerzhafte Erfahrungen sind nicht immer ein Trauma. In der Umgangssprache wird dieser Begriff sehr unpräzise und inflationär gebraucht, oft für gewöhnliche Lebensbelastungen:
“Wir hatten beide das gleiche Kleid an - voll das Trauma!”
“Führerscheinprüfung, sie ist Traum und Trauma zugleich!”
“Mein Freund hat bis heute ein "Lippenstift-Trauma", weil ihn seine Tante immer ungefragt geküsst hat als Kleinkind! “ ( Twitter)
In der öffentlichen Wahrnehmung wird die Verwendung des Wortes Trauma verharmlost und dem Leid der tatsächlich Betroffenen nicht gerecht.
Ein Trauma, also eine seelische Verletzung, ist das Resultat von starker psychischer oder physischer Gewalt mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei der betreffenden Person den Zustand intensiver Hilflosigkeit hervorruft und nicht bewältigt und verarbeitet werden kann. Dazu zählen:
Schwere Unfälle oder Erkrankungen, Naturkatastrophen
Erhebliche psychische, körperliche und sexuelle Gewalt (Krieg, Folter, Geiselnahme)
Plötzlicher Tod einer geliebten Person, Beobachtung des gewaltsamen Todes anderer
Schwere Verlust- und Vernachlässigung in der Kindheit
Also echte „Wunden“, keine „blauen Flecken“.
Die akute Reaktion auf solche außergewöhnlichen Belastungen kann sehr heftig sein (Schock, Nervenzusammenbruch). Man ist wie betäubt, reagiert auf Fragen nicht, kriegt nicht mit, was um einen herum geschieht. Das Herz rast, man zittert oder erbricht. Später wird man möglicherweise aggressiv, läuft ziellos umher oder ergreift gar die Flucht. Oft hat man keine klare detaillierte Erinnerung an das, was passiert ist.
In den meisten Fällen klingt diese heftige Symptomatik nach einigen Tagen ab. Häufig bleiben aber Angst, innere Unruhe, Anspannung, gestörter Schlaf und zahlreiche vegetative Begleiterscheinungen über Wochen bestehen, bis man langsam ins Leben zurückkehrt.
Bilden sich die Symptome nicht selbstständig zurück oder kommen neue dazu wie depressive Verstimmung, sozialer Rückzug, Vermeidung von allem, was an das Trauma erinnert oder Suizidgedanken, kann es sich um ein Trauma mit Folgestörung handeln. Es muss unbedingt ärztlich abgeklärt werden,
denn nicht selten entwickeln die Betroffenen eine Depression oder Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS).
Ob man sich an die neue Situation anpassen und ein traumatisches Erlebnis verarbeiten kann, hängt von vielen Faktoren ab. In erster Linie ist es die Schwere des Traumas. Es gibt Ereignisse, die fast immer und bei jedem Menschen stark traumatisierend wirken.
Weitere Faktoren, die entscheidend dafür sind, wie gut man mit einem Trauma umgehen kann, sind:
Wurde das Trauma durch ein einmaliges Erlebnis ausgelöst oder durch andauernde, sich wiederholende Erfahrungen?
Psychische und körperliche Gesundheit vor dem traumatisierenden Ereignis
Persönliche Belastungsgrenze und Bewältigungsmöglichkeiten, Resilienz
Frühere Schicksalsschläge
Intaktes soziales Umfeld
Bei einer Kombination vieler dieser Faktoren kann es dazu kommen, dass weniger schwerwiegende Ereignisse wie eine Scheidung, Wohnungskündigung oder Arbeitsplatzverlust stark traumatisierend wirken.
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